Wir alle kennen den Moment: Eine Story zieht uns hinein, noch bevor wir wissen, warum. Wir lachen, spüren Spannung, fühlen mit. Was wie Magie wirkt, ist in Wirklichkeit ein biologischer Reflex. Unser Gehirn reagiert auf Geschichten, als wären sie echt und schickt Hormone auf die Reise, die unsere Entscheidungen beeinflussen. Dieser Beitrag aus unserem neuen Buch „Erzähl’s doch der Parkuhr“ zeigt, wie das funktioniert:
Warum fesselt uns eine gute Geschichte so sehr, dass wir lachen, mitfiebern oder sogar Tränen in den Augen haben? Die Erklärung liegt in unserem Gehirn. Es reagiert auf erzählte Situationen, als wären sie real, und schüttet Hormone aus, die Spannung, Freude oder Vertrauen auslösen. Genau diese Reaktionen machen Storytelling zu einem der wirkungsvollsten Werkzeuge der Kommunikation. Menschen treffen Entscheidungen nicht nur aufgrund von Fakten, sondern vor allem aufgrund von Gefühlen. Wer versteht, welche hormonellen Prozesse beim Publikum ausgelöst werden, kann Inhalte transportieren, die wirklich bewegen.
Schau mir in die Spielneuronen, Baby!
Du erlebst etwas und dein Gehirn verarbeitet es. Genauer gesagt deine Spiegelneuronen im Frontalkortex. Die Neuronen reagieren nicht nur auf Geschehnisse, sondern auch auf die Körpersprache deines Gegenübers und auf wahrgenommene Geräusche. Nicht zuletzt reagieren deine Spiegelneuronen auf Botschaften, die wir hören und lesen. Sie schütten Glückshormone aus, wenn wir etwas tun, das uns Freude bereitet. Das tun sie ebenfalls, wenn wir sehen oder hören, dass eine andere Person etwas Schönes erlebt. Vittorio Gallese – Professor für Psychobiologie an der Universität von Parma, Italien – fasst dieses Phänomen folgendermassen zusammen: «Kurz gesagt, Spiegelneuronen bieten uns eine ‹verkörperte Simulation› nicht nur der Handlungen, sondern auch der Gedanken und Gefühle anderer. Wir teilen sie in unseren Körpern ... Sie geben uns die Fähigkeit, die anderen Individuen, die in unserer sozialen Welt leben, als zielorientiert zu verstehen, so wie wir selbst sind.» Dieses Wissen kannst du dir beim Storytelling zunutze machen. Dein Publikum reagiert nämlich automatisch auf das, was du ihm erzählst. Die Spiegelneuronen lassen deine Zuhörer:innen mehr oder weniger dieselben Gefühle und Gedanken erfahren, die die Charaktere deiner Geschichte durchleben. In der Praxis haben wir das alle schon zigmal erlebt. Bei einem traurigen Film schiessen uns Tränen in die Augen, obwohl wir genau wissen, dass es nur Fiktion ist. Die Spiegelneuronen schütten Hormone aus, die Gefühle auslösen. Jetzt wäre es interessant zu wissen, welche Hormone du bei deinen Zuhörer:innen auslösen musst, um mit deiner Story dein gewünschtes Ziel zu erreichen.
Die drei Story-Hormone!
Paul J. Zack ist ein amerikanischer Neuroökonom, der herausgefunden hat, dass das Beeinflussen gewisser Hormonausschüttungen unsere Entscheidungsfindung lenkt. Von dieser Erkenntnis kannst du beim Verfassen deiner Business-Story unglaublich profitieren. Im Grunde sind es drei verschiedene Hormone, die die Entscheidung deiner Zuhörer:innen hin zu deiner Kernbotschaft beeinflussen.

Cortisol: das Stress-Hormon
Stress ist auf den ersten Blick nicht zwingend die Reaktion, die du mit deiner Story auslösen möchtest. Auf den zweiten Blick spielt dir die Ausschüttung von Cortisol bei deinem Publikum allerdings in die Karten. Vorausgesetzt, dass du es nicht übertreibst und keine Massenpanik im Zuhörersaal auslöst. Der Mensch ist ein Herdentier, das anatomisch Jagdtieren wie Bären, Löwen, Wölfen und Co. wenig entgegenzusetzen hat. Stress ist eine natürliche Lösung. Fühlen wir uns bedroht, schüttet unser Gehirn Cortisol aus. Wir sind aufmerksam, nehmen unsere Umgebung verstärkt wahr und achten auf alle Einflüsse, die sich in unserem Umfeld abspielen. Stress ist im ursprünglichen Sinne also überlebensnotwendig. Wenn du dir nun die Funktionsweise der Spiegelneuronen vor Augen führst, wird klar, wie du mit der Story-Handlung für Aufmerksamkeit sorgen kannst: Es sind der Konflikt deiner Held:in und die Stress-Situation, in der er oder sie sich befindet, die sich in die Köpfe deiner Zuschauer:innen überträgt. Sie werden neugierig und richten den Fokus auf dich. Es ist also wichtig, dass du den Konflikt dementsprechend beschreibst und rhetorisch umsetzt. Kurze Sätze beispielsweise sorgen für Geschwindigkeit. Das Senken der Stimme erzeugt Spannung: Sei vorsichtig. Pass auf.

Dopamin: Don’t worry – be happy!
Dopamin macht Spass – im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn unser Gehirn diesen Botenstoff ausschüttet, wird unser Belohnungssystem in Gang gesetzt. Wir empfinden Genuss. Geniessen wir etwas, sind wir glücklich, freuen uns, lächeln, lachen. Die Dopamin-Ausschüttung wird weiter verstärkt – dank unserer Spiegelneuronen: Du hast dich bestimmt schon mal vom Lachen einer anderen Person anstecken lassen, obwohl du nicht wusstest, wer diese Person ist und worüber sie sich gerade kaputtlacht. Kleines Beispiel gefällig? Dann schau dir mal das Video «Las Paelleras » auf YouTube an, in dem der Spanier Juan Joya aka. El Risitas von einer offensichtlich zum Totlachen lustigen Erfahrung als Küchenhilfe berichtet. Ich verspreche dir, dass du spätestens ab Minute 4:51 mitlachst. Egal, ob du verstehst, worum es geht oder nicht. Dopamin hat zudem einen wichtigen Nebeneffekt, der für deine Story eine grosse Rolle spielt: Wir können nicht genug davon bekommen. Dopamin macht in gewisser Weise süchtig, und eine gute Story ist eine regelrechte Dopamin-Quelle. Wenn du es schaffst, dass dein Publikum mit deiner Held:in mitlacht und mitfiebert, dann sorgst du für eine gehörige Dopamin-Ausschüttung. Deine Zuhörer:innen möchten mehr von dem Stoff, der sie in diesem Moment beschäftigt. In diesem Fall also mehr Story, mehr Inhalt. Wie die Held:innen in deiner Geschichte will auch das Publikum belohnt werden. Es möchte die Auflösung des Problems und sich mit den Held:innen freuen. Dopamin lässt sich mit Bezug auf das Storytelling auch als «Happyend-Hormon» bezeichnen. Du kennst sicherlich die «Geschichte» vom Kutscher, der seinem Esel eine an einem Stock hängende Karotte vor die Nase hält. Der Esel möchte die Karotte fressen – sich unentwegt belohnen – und läuft ihr doch nur unermüdlich hinterher. Du bist der Kutscher. Der Stock ist deine Story. Die Dopamin-Karotte, das Happy End und das Publikum ist – im allerbesten Sinne natürlich – der Esel.

Oxytocin: Das Kuschel-Hormon
Dieser Botenstoff fördert unser soziales und empathisches Verhalten. Wenn wir in den Arm genommen werden, fühlen wir uns geborgen. Das lässt sich sogar noch erweitern: Jedes Mal, wenn ein friedvoller Hautkontakt entsteht, schüttet unser Gehirn Oxytocin aus. Egal, ob die Person einen Hund hinter den Ohren krault oder ein Baby stillt. Diese Tatsache allein nutzt uns beim Storytelling nur wenig. Doch der körperliche Kontakt ist nicht der einzige Auslöser, der unser Gehirn veranlasst, das sogenannte «Kuschel-Hormon» zu produzieren. Dank Oxytocin vertrauen wir Menschen, die sich uns öffnen, uns teilhaben lassen, uns zuhören oder uns anerkennen. Und genau diese Erkenntnis hilft dir dabei, eine emotionale Geschichte zu kreieren und zu erzählen. Je höher die Oxytocin-Ausschüttung bei deinem Publikum ist, desto mehr identifiziert es sich mit den Protagonist:innen deiner Story. Um das zu erreichen, kannst du zum Beispiel eine persönliche Erfahrung in die Story einfliessen lassen. Du musst dazu nicht deine tiefsten Geheimnisse preisgeben. Aber mit einer thematisch relevanten Anekdote aus deinem Alltag wirst du für dein Publikum nahbar. Du und deine Story – beziehungsweise deine Kernbotschaft – werden vertrauenswürdig.
Dieser Text ist ein Auszug aus unserem neuen Buch „Erzähl’s doch der Parkuhr. Oder lerne, wie Storytelling funktioniert“. Storytelling ist kein „nice to have“. Es ist das Werkzeug, um komplexe Botschaften emotional und verständlich zu machen.
Ob im Marketing, in der PR oder auf der Bühne, gute Geschichten schaffen Nähe, Vertrauen und Wirkung. Darin zeigen wir, wie Du blosse Ideen in Geschichten verwandelst, die hängen bleiben.